Am Abend klingelt es an der Tür. Jonathans Mutter öffnet sie und begrüsst die Nachbarin vom Wohnblock nebenan. Jonathan schleicht sich leise in die Nähe der Tür und hört, wie die Nachbarin gerade sagt: «Ja, wir vermuten, dass die Katze unten bei der Hauptstrasse überfahren wurde.» Jonathan zuckt zusammen. Er hört wie seine Mutter fragt:
«Und bist du dir sicher, dass es dieser rote Kater ist?»
Jonathan kneift seine Augen fest zusammen und hält sich die Ohren zu, aber er hört trotzdem, wie die Nachbarin seiner Mutter antwortet:
«Ja, es ist dieser rote Kater mit der einen weissen Pfote. Der Kater, mit dem Jonathan immer gespielt hat.»
Jonathan rennt in sein Zimmer. Hatte er soeben richtig gehört? Milo wurde überfahren? Milo soll tot sein? Jonathan legt sich auf sein Bett und zieht die Bettdecke über seinen Kopf. Er weint leise.
«Milo, du darfst nicht tot sein, du bist doch mein bester Freund», schluchzt Jonathan. «Was soll ich nur ohne dich machen? Du hast mich immer so gut verstanden und hast mir immer zugehört», wimmert Jonathan.
Die nächsten Tage weint Jonathan viel und seine Gedanken kreisen ständig um Milo. Wem soll er nun alle seine Sorgen erzählen? Wer tröstet ihn, wenn er traurig ist? Jonathan weiss nicht mehr weiter, so gross ist sein Kummer. Eines Abends schläft Jonathan erschöpft und immer noch traurig ein. Ein wirrer Traum plagt ihn. Er wälzt sich im Bett hin und her. Doch plötzlich wird er ganz ruhig und fängt an zu lächeln. Jonathan sieht Milo ganz klar und deutlich vor sich.
«Hey Jonathan, ich bin’s. Sei nicht traurig.»
«Aber ich vermisse dich», schluchzt Jonathan.
«Ich vermisse dich auch, Jonathan.»
«Bei dir konnte ich einfach ich sein. Du hast nie über mich gelacht. Auch wenn ich dir vorgelesen habe.»
«Ja, das habe ich sehr genossen, wenn du mir vorgelesen hast. Die Geschichte mit der Maus war meine Lieblingsgeschichte», sagt Milo. Jonathan lacht. «Ja, da hast du immer deine Ohren gespitzt und mit der Pfote hast du manchmal die Maus im Buch angestupst.»
Jonathans Gesicht wird wieder ernst.
«Ich habe Angst, wenn ich das nächste Mal wieder in der Schule vorlesen muss, Milo», sagt Jonathan.
«Ich weiss, Jonathan. Vergiss aber nicht, ich bin immer bei dir. Auch wenn du mich nicht mehr sehen kannst, ich bin weiterhin immer an deiner Seite.»
«Wie meinst du das, Milo?», fragt Jonathan.
«Du wirst es schon merken», antwortet Milo.
Jonathan wacht auf. Er ist ganz durcheinander. Im ersten Augenblick weiss er nicht, wo er ist. Eilig tastet er nach dem Lichtschalter seiner Nachttischlampe und schaltet das Licht ein. Ein schwacher Lichtstrahl erscheint. Er ist in seinem Zimmer in seinem Bett. War da nicht eben noch Milo? Hastig schaut sich Jonathan im Zimmer um. Aber Milo ist nicht da. Er hatte doch soeben noch mit ihm gesprochen? Hatte er das nur geträumt?
Immer noch ganz durcheinander zieht sich Jonathan an und geht in die Küche. Dort isst er das Butterbrot mit Aprikosenmarmelade zum Frühstück, welches ihm seine Mutter bereitgestellt hat. Neben dem Frühstücksteller liegt ein Zettel, auf dem steht: Viel Glück für deinen Vortrag heute!